Partnerbibliothek Weiden
Regionalbibliothek Weiden
Interview mit der Leiterin Sabine Guhl
Durchgeführt am 16.03.2023 von Isa Sprethuber, wissenschaftliche Mitarbeiterin im BiDiPeri Projekt
Rund 43.000 Einwohner*innen leben in der Stadt Weiden in der nördlichen Oberpfalz. Als kreisfreie Stadt bildet sie als Oberzentrum den Mittelpunkt für eine Region von rund 200.000 Einwohner*innen. Inmitten der Stadt ist die Regionalbibliothek Weiden als modernes Kultur- und Medienzentrum ein zentraler Treffpunkt für die Bürger*innen von Weiden und den umliegenden Landkreisen; lebendig – barrierefrei – multikulti – konsumfrei. Umgefähr 40 % der 6.722 aktiven Benutzer stammen aus den umliegenden Landkreisen.
Rund 130.000 Medien aus allen Bereichen, ein umfangreiches Angebot an Film und Musik, Zeitungen und Zeitschriften, Konsolenspielen, Tonies, über 40.000 digitalen Medien als Mitglied im Onleihe-Verbund Niederbayern/Oberpfalz und viele mehr stehen den Besucher*innen an 37 Öffnungsstunden pro Woche zur Verfügung. Neben gemütlichen Schmökerecken und zahlreichen Arbeitsplätzen steht allen Besucher*innen kostenloses WLAN zur Verfügung. Ganze Gruppen oder Lernteams können sich in das Studio L zurückziehen und Kinder können sich in der Kinder- und Jugendbibliothek mit der Spielekonsole und dem Spielewürfel KUTI allein oder mit Freunden die Zeit vertreiben. Ein großes Angebot an kulturellen Veranstaltungen für Kinder und Erwachsene rundet das Angebot für die rund 125.000 Besucher im Jahr 2022 ab.
Seit vielen Jahren besteht eine intensive Zusammenarbeit mit den Schulen aus Weiden und dem Landkreis Neustadt. Über Klassenführungen hinaus werden gemeinsam Projekte z.B. bei den Weidener Literaturtagen realisiert. Nicht zuletzt stehen für die 15 festen Mitarbeiterinnen die Themen Leseförderung, Informations- und Wissensvermittlung an erster Stelle.
Wie wird die Bibliothek von den Besucher*innen genutzt?
Die Regionalbibliothek Weiden wird auf ganz verschiedene Arten genutzt. Zum einen sind wir bestrebt, dass die Bibliothek ein sogenannter Dritter Ort ist, ein Aufenthaltsort für alle, an dem kein Konsumzwang herrscht. Mit unserem Lesecafé kann man sich trotzdem Gutes tun – wenn man das möchte – man ist aber nicht verpflichtet, etwas zu kaufen. Viele nutzen es auch als Kommunikationsort. Eine Nutzerin hat mir einmal gesagt: „Bei euch kann ich schön allein sein unter Menschen“. Ich finde, das sagt alles aus. Natürlich nutzen sehr viele Kund*innen die Regionalbibliothek, um Bücher und Medien auszuleihen, also die ganze Bandbreite von Büchern, Non-Books bis hin zu Online-Diensten. Das ist die zweite Art es zu nutzen. Dann ganz groß, das Veranstaltungsprogramm, vor allem seit Corona, basierend auf Kinderveranstaltungen, Vorlesestunden, Games-Club, Bücherlöwen, Bücherfrösche – je nach Altersgruppe. Bei den Veranstaltungen von Erwachsenen gibt es eine Fülle von Angeboten: von Liederabenden bis Lesungen bis Diskussionsabende – vor allem auch mit Kooperationspartnern. Wir wollen ein großes Portfolio abdecken.
Bis heute bin ich der Meinung, unser Haus ist zu schön, um es nur an 37 Öffnungsstunden zu nutzen – da muss noch mehr passieren! Und wie gesagt, ein Aufenthaltsort mitten in der Stadt, ohne Konsumzwang, das nimmt immer mehr an Bedeutung zu.
Was ist das Selbstverständnis der Bibliothek? Wofür möchte die Bibliothek stehen?
Wenn ich jetzt sage als Wissenstempel, dann klingt das wahrscheinlich fürchterlich altmodisch. Ich sage mal, als Ort der Information und des Lernens.
Das beginnt bei der Leseförderung zum Thema Lesen lernen und endet bei unabhängigen Informationen zum Welt-/ Politikgeschehen, zu Geschichte, zu allen möglichen Themen. Dass man einfach freien Zugang hat. Man weiß, es gibt einen Ort in der Stadt, der bietet mir unabhängige Informationen. Das ist für mich ein ganz zentraler Punkt in unserem Schaffen.
Welche Impulse, die das BiDiPeri Projekt gegeben hat, waren besonders wichtig?
Für uns war BiDiPeri ausschlaggebend dafür, dass wir die Bibliothek der Dinge gestartet haben. Vorher habe ich damit lange gezögert, das gebe ich ehrlich zu. Die angeschafften Geräte sind hierfür der Grundstock gewesen. BiDiPeri ist für mich auch ein Grund gewesen, über das Digitale für Jugendliche nachzudenken. Das hat schon einen Anstoß gegeben, dass man sich fragt: Wie können wir das jetzt ändern, um die Zielgruppe Jugend mit digitalen Angeboten besser zu erreichen? Das ist ein Prozess, der angestoßen ist, den wir jetzt aufnehmen. Es ist natürlich bei solchen Prozessen üblich, dass das nicht von heute auf morgen gemacht werden kann, aber es wird natürlich weiterverfolgt.
Wo sehen Sie Ihre Bibliothek in der Zukunft?
Für uns in Weiden ist es ganz wichtig, die intensive Zusammenarbeit mit den Schulen beizubehalten und zu pflegen, Partner der Schulen zu sein. Ansonsten ist es uns wichtig, Dritter Ort, Wohlfühlort und Aufenthaltsort mitten in der Stadt zu sein. Auch das Veranstaltungsprogramm muss beibehalten werden, da sollten Bibliotheken die Lücken übernehmen, die im jeweiligen Ort existieren. Wir wollen weder dem Buchhandel etwas wegnehmen noch in Konkurrenz zu einen Konzertraum treten. Aber man muss einen Raum stellen, für Künstler*innen und Autor*innen, die anderswo keinen Platz finden. Wo sich Lücken auftun, werden wir ergänzen.
Wo sehen Sie Bibliotheken als Institution in der Zukunft?
Das ist momentan eine große Frage. Ich bin in mehreren Verbänden, auch Geschäftsführerin des Bayerischen Bibliotheksverbandes und vor dieser Frage stehen wir gerade und schauen, welche Herausforderungen es uns bringt, dazu zählt zum Beispiel der Umgang mit künstlicher Intelligenz, wie ChatGPT.
Im Zentrum stehen für Öffentliche Bibliotheken wie die Regionalbibliothek Weiden auch in der Zukunft der freie Zugang zu Informationen, Wissensvermittlung und in Bezug auf Kinder und Schüler*innen die Leseförderung. Die Transformation muss stattfinden, dass digitales Lesen und Lesen auf Papier sich gleichwertig gegenüberstehen. Ich finde, es ist egal, wo man liest. Lesen ist Lesen. Ich muss in der Lage sein, im Erwachsenenalter Texte zu erfassen, Texte zu bewerten und da sehe ich eine große Aufgabe für Bibliotheken. Weil Schulen immer weniger Zeit und Möglichkeit dazu haben. Nicht nur, dass momentan ein Mangel an Lehrkräften herrscht, auch die Lehrpläne haben sich stark verändert. Da sehe ich schon, dass Bibliotheken immer mehr eingebunden sein müssen, im Punkt Leseförderung und Wissensvermittlung.